Was motiviert uns zum missionarischen Handeln?

/ Wolfgang Klöckner

Was motiviert eigentlich Gott selbst zum missionarischen Handeln? Was motiviert Gott dazu, seinen Geschöpfen Gutes zu tun und Menschen zu retten?

Die Antwort darauf kann uns helfen zu erkennen, wie er seine Leute motivieren will, dasselbe zu tun. In einem Streifzug durch das Alte und Neue Testament werden wir uns ansehen, was seine Boten, Apostel und Propheten antreibt. Die Frage zu stellen, wie sie wiederum andere Menschen motivieren, hat mir geholfen und mich neu herausgefordert, die ganze Frage der missionarischen Motivation von Gott her zu denken – und nicht zuerst aus menschlicher Perspektive: Gott selber hat eine Mission und er nimmt uns mit hinein!

ALTES TESTAMENT: HEILIGE BEGEGNUNGEN

Schon von der Schöpfung her sehen wir Gottes Anliegen, mit dem Menschen als seinem Ebenbild in Beziehung zu stehen. Der Sündenfall hat diese Beziehung zwar zerstört, doch in der Folge ist es Gott, der beginnt, sie wiederherzustellen. Paulus drückt diesen Gedanken einmal so aus: „Das alles hat er getan, weil er wollte, dass die Menschen ihn suchen. Sie sollen mit ihm in Berührung kommen und ihn finden können. Und wirklich, er ist jedem von uns ja so nahe!“ (Apg 17,27 HfA).

Dass Gott dabei auch von Mitleid bewegt ist, lässt er Mose bei seiner Berufung wissen: „Ich habe sehr wohl gesehen, wie mein Volk Israel in Ägypten misshandelt wird, und habe sein Schreien wegen der Antreiber gehört. Ja, ich kenne seine Schmerzen. Nun bin ich gekommen, um es aus der Gewalt der Ägypter zu befreien“ (2Mo 3,7-8 NeÜ).

Dasselbe Motiv findet sich auch bei Jona wieder, der Gott als gnädig und barmherzig beschreibt, von großer Geduld und grenzenloser Güte, dem sogar das angedrohte Gericht leid tut (Jona 4,2).

Der Prophet Jesaja berichtet von einer Begegnung im Angesicht des heiligen Gottes, die ihn seine Verlorenheit spüren lässt. Dramatisch beschreibt er jedoch auch die Erfahrung der Vergebung und ist dann bereit für Gottes Auftrag: „Dann hörte ich die Stimme des Herrn. Er fragte: ‚Wen soll ich senden? Wer ist bereit, unser Bote zu sein?’ Da sagte ich: ‚Ich bin bereit, sende mich!’“ (Jes 6,8). Jesaja lässt sich als Gottes Bote senden. Hätten es Propheten wie Jesaja oder auch Jeremia geschafft, ohne eine solche Gottesbegegnung über Jahre dranzubleiben und immer wieder den Mund aufzumachen, um dem Volk Gottes das kommende Gericht anzukündigen?

FREUDENBOTEN

Bei Hesekiel stellt Gott einen bestimmten Aspekt des Prophetendienstes in den Vordergrund: Er soll ein Wächter für Israel sein und die Menschen vor dem Tod als Konsequenz sündigen Handelns warnen. Was mir persönlich Druck und sogar Angst gemacht hat, ist die angekündigte Konsequenz für Hesekiel: „Wenn ich also zu dem Schuldigen sage: ‚Du musst sterben!‘, und du hast ihn nicht gewarnt, ihn nicht von seinen schlimmen Wegen abgebracht, du hast ihm nichts gesagt, um sein Leben zu retten – dann wird er zwar sterben, wie er es verdient hat, aber dich ziehe ich für seinen Tod zur Rechenschaft!“ (Hes 3,18 NeÜ). Eine unüberhörbare Motivation. Sie hat mich unter Druck gesetzt, das Evangelium an den Mann zu bringen. Ich wollte schließlich keine Schuld auf mich laden! Doch eine solche Motivation ist zutiefst problematisch. Zunächst einmal geht es mir dabei mehr um mich selbst als um Gottes Absicht oder verlorene Menschen. Hinzukommt, dass das Evangelium von Jesus Christus im Kern gerade keine Gerichtswarnung ist, sondern eine frohe Botschaft der Rettung, Vergebung und Befreiung! Als Menschen, die von Jesus reden, sind wir Freudenboten und nicht Warner oder Wächter. Diese Einsicht hat mich enorm entlastet!

Dieser knappe Überblick zeigt deutlich einige Linien, die sich durch das AT ziehen:

  • Gott will Menschen retten und sie gewinnen für die Gemeinschaft mit ihm. Er liebt sie, empfindet Mitleid mit ihrer Verlorenheit – und das bewegt ihn zum Handeln.
  • Gott beruft und beauftragt Menschen, sein Wort und seine Botschaft zu verkündigen. Dazu begegnet er diesen Menschen oftmals in einer Art und Weise, die ihr Leben tief verändert. Selbst wenn sie immer wieder Gottes Gericht und Strafe ankündigen, ist Gottes Ziel dahinter, die Menschen aufzurütteln, damit sie sich ihm zuwenden.

NEUES TESTAMENT: JESUS CHRISTUS SELBST

Wovon war Jesus motiviert? Und wie motivierte er seine Jünger? Er selbst beschreibt seine Sendung in diese Welt als von Gottes Liebe begründet (Joh 3,16) und betont: „Gott hat seinen Sohn ja nicht in die Welt geschickt, um sie zu verurteilen, sondern um sie durch ihn zu retten“ (Joh 3,17). Die Zachäusgeschichte ist eine treffende Illustration dieser Sendungsabsicht. Jesus selbst formuliert dort abschließend, er sei „gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,10). Den Willen seines Vaters zu erfüllen, bildet ein weiteres Motiv seiner Sendung. Auch hier lässt er keinen Zweifel daran, dass Gott durch seinen Sohn Menschen retten will (Joh 6,38-40). Wie Gott schon im Alten Testament (2Mo 3,7) so empfindet Jesus Barmherzigkeit für die Menschen in ihrer Verlorenheit: „Als er die vielen Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl, denn sie waren hilflos und erschöpft wie Schafe ohne Hirten“ (Mt 9,36). Vielleicht ist dieser Blick in das Herz Jesu die beste Motivation und Vorbereitung für den eigenen Dienst der Jünger – und damit auch für uns heute.

„Wie der Vater mich gesandt hat, sende ich nun euch“ (Joh 20,21) – mit dieser Aufforderung wird Jesu eigene Sendung und was ihn dabei antreibt unmittelbar relevant für uns, seine Jünger! So betrachtet bildet der sogenannte Missionsbefehl (Mt 28,18ff; Mk 16,15f) nur die Speerspitze auf dem soliden Schaft der Sendung Jesu. Sie bringt den Auftrag der Jünger auf den Punkt. Der Missionsbefehl erfordert einerseits schlichten Gehorsam, andererseits finden wir in diesen Versen auch sehr motivierende Aspekte. Der eigentliche Auftrag ist eingerahmt von der Feststellung, dass Jesus alle Macht im gesamten Universum hat (V. 18), und der Zusage, dass er immer bei den Jüngern sein wird (V. 20). Markus erwähnt zusätzlich wunderhafte Zeichen, die diese Verkündigung begleiten.

„Denn bevor das Ende kommt, muss das Evangelium allen Völkern verkündet werden“ (Mk 13,10) – mit dieser Feststellung vermittelt Jesus in seiner Endzeitrede eine positive Dringlichkeit: Alle Menschen sollen und werden das Evangelium hören – und es liegt mit in unserer Verantwortung! Das Ende kommt, wenn der Auftrag erfüllt ist. Und heute im 21. Jahrhundert hat sich die Anzahl der unerreichten Volksgruppen schon drastisch verringert. Nicht zuletzt weist Jesus seine Jünger auf die entscheidende Rolle des Heiligen Geistes hin, den er senden und der die Menschen von „Sünde, Gerechtigkeit und Gericht überführen“ wird (Joh 16,8-15). Nicht unsere klugen Worte, guten Argumente oder geschliffenen Predigten öffnen die Menschen letztlich für Jesus. Es ist der Geist, der an Herz und Verstand eines Menschen wirkt. Kaum eine Entdeckung im Wort Gottes hat mich in den letzten Jahren mehr entlastet, wenn ich Menschen von Jesus erzähle und ihnen das Evangelium erkläre.

DIE APOSTEL

Was hat die Apostel motiviert, von Jesus und dem Evangelium zu reden? In den ersten Tagen der Gemeinde in Jerusalem nach Pfingsten gibt es offenbar noch kein Motivationsproblem: Petrus und Johannes legen regelrecht Begeisterung an den Tag, als man ihnen das Reden von Jesus untersagt: „Uns ist es auf jeden Fall unmöglich, nicht von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben!“ (Apg 4,20). Dieses Motiv greift Petrus in seinem zweiten Brief auf, wenn er davon spricht, dass er die Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus gesehen und die Stimme Gottes gehört hat (1Petr 1,16). Johannes ergänzt diesen Gedanken: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens (...) was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch“ (1Joh 1,1.3). Die persönliche Begegnung und Erfahrung mit Jesus waren die entscheidenden Faktoren für ihr missionarisches Handeln: Was sie anderen erzählten, hatten sie selbst erlebt.

PAULUS

In allen seinen Briefen gewährt uns Paulus einen teils tiefen Einblick in seine Motive und Beweggründe als Apostel von Jesus Christus. Darüber nachzudenken, was ihn antrieb, Menschen aller gesellschaftlicher Gruppen immer und überall von Jesus zu erzählen, ist höchst inspirierend. Es begann mit seiner Bekehrung, die gleichzeitig seine persönliche Berufung durch den Auferstandenen in den Dienst war. Offenbar war das eine so einschneidende Erfahrung, dass Paulus mehrmals darauf Bezug nimmt und allein in der Apostelgeschichte dreimal darüber berichtet wird (Apg 9; 22; 26). Im Hinblick auf seine innere Motivation lese ich folgende Punkte heraus:

  • Paulus wurde von Gott erwählt (Apg 22,14). Die Initiative ging von Gott aus, nicht Paulus hat sich dazu entschieden. Das betont er immer wieder in seinen Briefen (Gal 1,15).
  • Paulus hatte eine persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen (Apg 22,14), die für ihn zugleich Auftrag ist (Gal 1,16).
  • Paulus wurde so zu einem Zeugen für Jesus: Er redet davon, was er selbst gesehen und gehört hat (Apg 22,15).
  • Paulus wurde zu den Völkern gesandt (Apg 26,17). Wiederholt stellt er heraus, dass er ein „Apostel Christi Jesu nach dem Befehl Gottes“ ist (z. B. 1Tim 1,1). Er wurde „eingesetzt zur Verteidigung des Evangeliums“ (Phil 1,16), „als Verkündiger, Apostel und Lehrer“ (2Tim 1,11).
  • Paulus reagierte auf diese Berufung mit Gehorsam (Apg 26,19). Er sah sich als „Sklave Christi Jesu“ (Phil 1,1), der seinem Herrn, der ihn erkauft hatte, Gehorsam schuldete.

Man gewinnt den Eindruck, dass Paulus sehr stark von der Verpflichtung gegenüber der Berufung und Gottes Auftrag angetrieben ist. Verwurzelt ist diese in der persönlichen Begegnung mit Jesus, seinem geliebten Herrn und Retter. So formuliert er es auch gegenüber den Korinthern, denen er seine Beweggründe erläutert: „Mein Ruhm besteht ja nicht darin, dass ich das Evangelium verkünde. Das ist schließlich eine Verpflichtung, der ich nicht ausweichen kann – wehe mir, wenn ich sie nicht erfülle! Hätte ich diese Aufgabe aus eigenem Antrieb übernommen, könnte ich einen Lohn dafür erwarten. Ich habe sie aber nicht gewählt; sie ist mir übertragen worden: Gott hat mir die Aufgabe anvertraut, seine Botschaft zu verkünden“ (1Kor 9,16-17 NGÜ).

Es gibt noch eine weitere Seite in Paulus’ missionarischer Motivation. Sie entspringt der Liebe und Gnade Gottes, die er in Christus erfahren hat: „Bei allem ist das, was uns antreibt, die Liebe von Christus. Wir sind nämlich überzeugt: Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind alle gestorben. Und er ist deshalb für alle gestorben, damit die, die leben, nicht länger für sich selbst leben, sondern für den, der für sie gestorben und zu neuem Leben erweckt worden ist“ (2Kor 5,14-15 NGÜ). Da möchte man spontan zustimmen! Weil Jesus seine Liebe am Kreuz demonstriert hat, leben wir für ihn und reden mit Freude und Überzeugung von ihm. Auf dieser Grundlage fällt es dann auch nicht schwer, den Auftrag Jesu zu erfüllen.

Paulus sah sich selber geradezu als Paradebeispiel für Gottes rettendes Handeln: „Ich danke unserem Herrn Jesus Christus (...) dass er mich überhaupt für vertrauenswürdig hielt und in seinen Dienst genommen hat, obwohl ich ihn doch früher verhöhnt und seine Gemeinde mit grausamer Härte verfolgt habe. (...) Gerade an mir wollte er zeigen, welche Menschen durch den Glauben ins ewige Leben hineingerettet werden können“ (1Tim 1,12-16 NeÜ). Paulus war offensichtlich zutiefst angerührt und motiviert von der Gnade und dem Erbarmen, die er erfahren hatte. Er war überzeugt, dass Gott jeden Menschen auf diese Weise zur Umkehr und zum Glauben bewegen kann: „Begreifst du denn nicht, dass er dich mit seiner großen Güte zur Umkehr bringen will?“ (Röm 2,4).

Was treibt uns an in unserem missionarischen Handeln? Dieser Streifzug durch die Bibel zeigt ein gewisses Spektrum verschiedener Motive und Beweggründe. Vielleicht lassen sie sich so zusammenfassen:

  1. Gott will die Menschen retten und in eine liebevolle Beziehung mit ihm bringen, weil er sie liebt. „Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden und die Wahrheit erkennen“ (1Tim 2,3-4).
  2. Gott begegnet Menschen persönlich und beruft sie als seine Boten.
  3. Gott gibt einen klaren Auftrag, seine Rettungsbotschaft, das Evangelium weiterzugeben.
  4. Gott sieht die Not, Bedürftigkeit und Verlorenheit der Menschen und empfindet Mitleid.

WOLFGANG KLÖCKNER

Dieser Artikel ist auch im Brennpunkt 2018-02 auf Seite 3 zu finden.

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