„Erst durchs Ausprobieren wurden uns Fehler bewusst.“

/ Victor Sudermann

Sudermann

Victor Sudermann ist ein großer Fan des Entdeckerbibelstudiums und hat mit seinem Team im Weserbergland in den letzten zwei Jahren etwa zwanzig EBS-Gruppen gestartet. Wolfgang Klöckner hat ihn nach den Erfahrungen gefragt

In einem EBS oder Entdeckerbibelstudium geht es darum, dass Menschen sich in einer Gruppe selber auf Entdeckungsreise begeben. Inwiefern unterscheidet sich das von anderen Bibellesegruppen?

Wir gehen in Gemeinden ja normalerweise so vor, dass sich jemand auf das Treffen vorbereitet und er der Gruppe etwas vermittelt – also eine Lehre, die er selbst aus der Bibel für sich entdeckt hat. Die Schwierigkeit liegt darin, dass sich eine Gruppe immer an dem orientiert, der alles vorbereitet. Man erzeugt Abhängigkeit und keine Mündigkeit. Die andere Schwierigkeit ist die, dass man durchs reine Zuhören weniger bereit ist, auch etwas umzusetzen, als wenn wir etwas selber entdeckt und verstanden haben. Beim Entdeckerbibelstudium liegt dagegen der Schwerpunkt darauf, einfache Fragen zu stellen, die sich immer wiederholen. Die Teilnehmer werden dadurch aktiv und sind immer wieder herausgefordert, selbst in die Bibel zu schauen. Dadurch öffnet ihnen der Heilige Geist die Augen und sie machen ihre persönlichen Entdeckungen. Aber es geht nicht nur um das Entdecken, sondern auch darum, die Entdeckungen in die konkrete Lebenssitua-tion umzusetzen. Durch das EBS versuchen wir Wort und Tat in Einklang zu bringen.

Was begeistert dich noch am EBS?

Was uns immer wieder begeistert ist, dass nicht ein Mensch im Vordergrund steht, sondern die Bibel, Gottes Wort. Und die Teilnehmer merken in den meisten Fällen, dass sie das EBS-Prinzip auch selbst in anderen Gruppen anwenden können. Es braucht keine besondere Qualifizierung dazu.

Was würdest du sagen, ist das Wesentliche in einem EBS-Prozess?

Die Dreiteilung. Im ersten Teil geht es darum, den Blick zurück zu werfen: Wofür bist du dankbar? Was haben wir das letzte Mal gelernt und was konntest du umsetzen? Diese Fragen erfordern von den Teilnehmern Rechenschaft, was aus dem Entdeckten geworden ist. Im zweiten Teil geht es darum, den Blick nach oben zu werfen, also in Gottes Wort. Was lernst du über Gott? Was lernst du über den Menschen? Wozu fordert dich Gott in dem Text auf? Hier liegt der Schwerpunkt darauf, in der Bibel Neues zu entdecken. Im dritten Teil geht es um den Blick nach vorne: Was werde ich konkret tun? Wem werde ich davon erzählen? Hier wird darauf geachtet, wie das Wort Gottes konkret im Leben umgesetzt werden kann.

Ihr habt in den letzten zwei Jahren ungefähr zwanzig Gruppen gestartet. Erzähl mal, wie das bei euch so läuft.

Für uns im Weserbergland ist EBS ein Werkzeug, wie wir mit Gruppen die Bibel lesen. Wir unterscheiden dabei drei Prozesse. „Gott entdecken“ ist der Start. Das sind Gruppen, in denen Menschen sich auf den Weg machen, um Gott zu entdecken. Gruppen zum Thema „Auftrag entdecken“ bestehen meist aus Menschen, die Christen geworden oder schon lange Christen sind und die wir so trainieren und zurüsten, dass sie ihren Auftrag entdecken, den Jesus uns Christen hinterlassen hat – nämlich Jünger zu machen. Den dritten Prozess nennen wir „Gemeinschaft entdecken“. Hier helfen wir der Gruppe, durch das EBS zu entdecken, wie Gemeinde im Neuen Testament gelebt wurde und wie sie selbst zu einer einfachen Gemeinde werden können. In allen drei Prozessen benutzen wir das EBS.

Welche Erfahrungen macht ihr dabei?

Mit Menschen, die Gott noch nicht kennen, machen wir sehr gute Erfahrungen. Wir sind oftmals sehr erstaunt, wie viel sie in der Bibel selbst entdecken, wenn sie selbst in den Text schauen. Wir haben gelernt, dass es zu einer tieferen Überzeugung bei den Menschen kommt, wenn sie Sachen selber entdecken. Wenn sie selber entdeckt haben, dass Jesus Gottes Sohn ist, wenn sie entdeckt haben, dass sie sich taufen lassen sollen, dann tun sie Dinge aus einer anderen Überzeugung, die dann auch fest ist. In einer Gruppe haben wir erlebt, dass sich durch dieses Entdecken innerhalb von einer Woche sieben Leute taufen ließen. Wir stellen fest, dass Menschen nicht nur Dinge verstehen, sondern sie fangen an, mit ganzer Konsequenz die Dinge im Gehorsam im Leben zu tun.

Und welche Erfahrungen habt ihr mit Christen gemacht?

Mit Menschen mit christlichem Hintergrund machen wir andere Erfahrungen. In einigen Gruppen haben wir erlebt, dass ihnen die Fragen zu langweilig sind. Wenn sie aber das Prinzip verstanden haben, entwickelt sich auch hier ein Gehorsam, Dinge umzusetzen, die sie in der Bibel selbst entdeckt haben. Hier machen wir Erfahrungen, dass Christen, die zuvor noch nie Menschen das Evangelium erzählt haben, plötzlich zu Evangeliumsboten werden. Nicht, weil wir es ihnen sagen, sondern weil sie es in der Bibel für sich entdecken - und Gott gehorsam sein wollen.

Seht ihr Fehler, die ihr gemacht habt?

Das erste Mal wurde ich 2008 mit dem Thema Gemeindegründungsbewegung konfrontiert. Bei einer Fortbildung der DIM wurde uns das EBS-Prinzip vorgestellt. Es war nur ein Teil der Gesamtstrategie, um eine Bewegung loszutreten. Als ich mit einigen Bibelstellen und den EBS-Fragen nach Hause kam, fing ich an, es umzusetzen und auszuprobieren und leider auch sehr viel davon zu reden. Ein Fehler war sicher, dass ich mehr darüber geredet als umgesetzt habe. Der andere Fehler war, dass ich die Dinge eins zu eins übernommen habe. Wir haben vierzig Bibelstellen mitbekommen, um die Bibel mit ungläubigen Menschen zu lesen. Nach dem ersten Versuch sind einige von der Gruppe abgesprungen, weil es zu lang und zu kompliziert war. Durch die vielen Fragen dauerten auch die Treffen sehr lange und wir schafften es gar nicht, alle Fragen zu beantworten. Der Punkt Gehorsam fiel immer unter den Tisch und die Umsetzung blieb immer umkonkret. Die Fehler hätte ich bestimmt verhindern können, wenn ich mir vorher mehr Gedanken gemacht hätte. Aber erst durch das Ausprobieren wurden mir die Fehler bewusst.

Wie habt ihr diese Fehler korrigiert?

Wir haben das EBS auf uns und unsere Situation angepasst. Wir haben Fragen gestrichen, neue Fragen formuliert und uns Gedanken gemacht: Was wollen wir durch das EBS prägen und mit welchen einfachen Fragen können wir das tun? Das, was wir neu für uns entworfen haben, haben wir wieder mit Gruppen ausprobiert, wieder reflektiert und wieder angepasst.

Was habt ihr aus euren Fehlern gelernt?

Wir haben für uns gelernt, dass man am besten aus Fehlern lernt. Indem man sie korrigiert, lernt man weiter. Durch die Fehler, die wir gemacht haben, konnten wir unsere Strategie im Weserbergland noch weiter ausfeilen. Wir merken, dass wir mit jedem Fehler Stufe für Stufe weiterkommen. Mittlerweile haben wir für uns die Dinge klar und wissen, was wir mit Gruppen machen, die Gott entdecken wollen, wie wir diejenigen weiter begleiten, die zum Glauben gekommen sind und wie wir diese Gruppen zur Eigenständigkeit führen.

Wenn ich ein EBS durchführen will, worauf muss ich besonders achten?

Wenn du mit EBS anfangen möchtest, solltest du dich darauf einstellen, dass es nicht um deine Person geht. Es geht darum, dass du in den Hintergrund trittst und Jesus im Vordergrund steht.

Dieser Artikel ist auch im Brennpunkt 2016-01 auf Seite 10 zu finden.

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